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Am Ende des vergangenen Schuljahres wurde im Rahmen des Religions- und Ethikunterrichts für die 6B eine Exkursion nach Innsbruck organisiert. Am Programm stand ein Rundgang durch den Westfriedhof, auf dessen Areal noch jüdische Gräber zu finden sind. Die Organisation „erinnern.at“ bietet dazu Führungen an.

Anhand einzelner Gräber wurden den Schüler*innen die Lebensbiografien Tiroler Jüdinnen und Juden näher gebracht. Berührend, erschütternd, verstörend – verstärkt durch den Umstand, dass auf demselben Friedhofsareal auch ein Denkmal der akademischen Burschenschaft Suevia zu finden ist, auf dem Täter der Judenverfolgung namentlich erwähnt werden.

Der Text von Florian B. drückt in berührender Weise aus, was junge Menschen angesichts der Gräueltaten, die im Nationalsozialismus Menschen angetan wurden, empfinden und welche Gedanken sie begleiten. Seine Fragen offenbaren ein ungläubiges Erstarren vor einer Zeit, die nicht greifbar, nicht vorstellbar und doch zur Realität geworden ist.

Wir wollen uns erinnern, um nicht zu vergessen … damit sich diese Geschichte nicht mehr wiederholt.

Heinz Werlberger

Der Friedhof

Was macht einen Friedhof jüdisch? Die Menschen, die dort begraben sind? Die Besucher? Die Grabsteine und Bräuche? Vielleicht ist es alles, vielleicht aber auch nichts davon. Im Ende sind wir doch alle Menschen, die ein Leben im Glauben gelebt und versucht haben, die Welt mit ihrer Existenz zu bereichern, jüdisch oder nicht. Macht es nun einen Unterschied, ob man unter einem Kreuz oder einem Davidstern begraben liegt?

Viele liegen dort, vergessen, ihr letztes Andenken: der Name auf dem Grabstein. Manche jedoch blieben in Erinnerung und mit ihren Geschichten lebt auch ein Teil ihrer selbst in uns weiter. Ob brutal ermordet durch das NS-Regime, aus der Heimat geflohen, wie durch ein Wunder überlebt oder im KZ umgekommen, sie alle werden erinnert. Dabei ist der Mensch, die Person, das Wesen nicht sonderlich relevant, was zählt ist die Geschichte, dass wir uns alle erinnern mögen: an die schrecklichen Taten unserer Vorfahren, unserer Vergangenheit, unserer Geschichte.
Die einzelnen Schicksale berühren, gehen nahe. Manche gefallen, im sinnlosen Kampf für Vergeltung gestorben. Jahre später: ohne Eltern, nur mit der eigenen Cousine, der besten Freundin, geflohen mit nur 15 Jahren. Fern von der Heimat, allem Vertrauten. Fern von Familie und Freunden, mitten in fremder Kultur, fremder Sprache, fremden Menschen, alles fremd. Und auch dort ist es nicht sicher, die Flucht umsonst, der Feind auch hier.
Andere schaffen es nicht einmal aus dem Land, werden für ihren Glauben gefangen genommen, zu Zwangsarbeit verpflichtet, bis zum Tod getrieben. Oder gleich, unter Beisein der eigenen Familie, in den eigenen vier Wänden hingerichtet – für ein politisches Arrangement.

Verstörend – keine 200 Meter von den Mahnmalen der Vergangenheit entfernt steht ein Denkmal. Ein Denkmal, um jenen Verstorbenen zu gedenken, die sich auch in der heutigen Zeit noch nach der Brutalität der Vergangenheit sehnen. Menschen, die immer noch der Meinung sind, es gäbe schlechte und gute Menschen, vernichtende und schöpfende, Menschen, die auf Grund eines Glaubens weniger wert sind als alle anderen, die genauso einen Glauben verfolgen. Mit denselben Werten, mit denselben Gedanken, denselben Wurzeln. Es ist schrecklich und doch völlig legal. Sie warten. Sie warten auf eine Zeit, die ihrem Gedankengut Raum lässt, ihm Boden zum Wachsen und gedeihen lässt, bis dann schließlich der Moment gekommen ist endgültig hervorbrechen, um die Gräuel der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.

Florian B.